69. Jahrestag der Befreiung von Buchenwald

Redaktion

Die Geschichte der Lager ist die Geschichte des Mordens: Bewegende Tage in der Gedenkstätte Buchenwald geben Anlass zum Nachdenken und zur Besinnung. Europa braucht heute mehr denn je die Erinnerung an die Barbarei von Krieg und Holocaust, um Frieden und Freiheit zu bewahren.

Die Geschichte der Lager ist die Geschichte des Mordens: Bewegende Tage in der Gedenkstätte Buchenwald geben Anlass zum Nachdenken und zur Besinnung. Europa braucht heute mehr denn je die Erinnerung an die Barbarei von Krieg und Holocaust, um Frieden und Freiheit zu bewahren.

Gemeinsam mit Jugendlichen aus Pößneck nahm Philipp Gliesing am Gedenk-Rundgang teil, der zu historischen Orten im ehemaligen Häftlingslager führte.

Nach einer Begrüßung durch Prof. Dr. Volkhard Knigge, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora erhielt Éva Pusztai, jüdische Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald, das Wort.

In ihrer Ansprache nahm Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, Bezug auf die aktuellen Gefahren des Rechtsradikalismus, insbesondere in Osteruopa.

Stationen:
- Gedenkstein für sowjetische Kriegsgefangene
- Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma
- Jüdisches Mahnmal
- Gedenkstein für die Frauen in den Außenlagern
- Krematorium

 

Ein Haus des Friedens und der Freiheit

K o m m e n t a r

von Philipp Gliesing


Es geht nicht um das "Schuld sein", wie einige vielleicht argumentieren, wenn dieser Tage an zentralen Orten der Verbrechen der Nazis in Thüringen erinnert und gemahnt wird. Es geht um viel mehr!

Es geht um ein würdiges Gedenken mit und für die Angehörigen und Überlebenden der Konzentrationslager - die Erinnerung schmerzt bis heute in vielen Familien. Es geht in diesem Sinne in den Gedenkstätten immer schon um einen Brückenschlag der Generationen.

Und es geht darum, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, und diese für die gegenwärtigen Probleme in Europa nutzbar zu machen. Geschichte ist immer auch ein Ergebnis von Entscheidungen, die wir treffen - im kleinen und im großen. Die Entscheidungen der Vergangenheit können wir nicht beeinflußen, doch die Mündigkeit und Weltoffenheit eines Menschen.  

Wenn die Angst und Sorge vor dem sozialen Abstieg europaweit um sich greift, müssen wir alle sehr genau überlegen, wie wir uns dazu verhalten. Wollen wir es zulassen, dass der Gedanke der Verständigung und Kooperation in Europa wegen der Entfesselung der Märkte und einer "Krisenpolitik der Banken-Lobby" zu Grunde geht?

Die falsche Architektur eines europäischen Hauses, mit Geheimtüren für die Großkonzerne und Finanz-Spekulanten, mit Sonnenterasse für die Eliten und billigen Gemeinschaftsküchen für die Bediensteten (Dienstleister), gefährdet den Frieden und die Freiheit aller europäischer Bürger*innen.

Europa geht anders! Lassen Sie uns die demokratischen Rechte, die seit 1990 im Grundgesetz für alle Bürger*innen gelten, wahrnehmen und die produktive Kraft unserer Wirtschaft nachhaltig einsetzen.

Wir müssen kein Steuerparadies sein und können auf wichtige Regulierungen in der öffentlichen Infrastruktur nicht verzichten. Um fit für die Zukunft zu werden, brauchen wir kein Lohndumping oder eine Zwei-Klassen-Medizin, sondern eine gesicherte Grundversorgung aller Menschen.

Der Schwur von Buchenwald, den die Häftlinge unmittelbar nach der Befreiung am 11. April 1945 auf dem Appellplatz zu Tausenden abgeleistet haben, trug die Hoffnung, ja das Versprechen, dass es nie wieder soweit kommen darf, dass Menschen ausgegrenzt, verfolgt und ermordet werden. Doch Frieden und Freiheit sind kein Versprechen, wie wir in 40 Jahren Kalter Krieg erfahren mussten...

 

Der Schwur von Buchenwald

Kameraden!

Wir Buchenwalder Antifaschisten sind heute angetreten zu Ehren der in Buchenwald und seinen Außenkommandos von der Nazibestie und ihrer Helfershelfer ermordeten 51 000 Gefangenen!

51 000 erschossen, gehenkt, zertrampelt, erschlagen, erstickt, ersäuft, verhungert, vergiftet, abgespritzt,

51 000 Väter, Brüder, Söhne starben einen qualvollen Tod, weil sie Kämpfer gegen das faschistische Mordregime waren,

51 000 Mütter und Frauen und Hunderttausende Kinder klagen an: Wir lebend gebliebenen, wir Zeugen der nazistischen Bestialitäten sahen in ohnmächtiger Wut unsere Kameraden fallen.

Wenn uns eines am Leben hielt, dann war es der Gedanke: Es kommt der Tag der Rache!

Heute sind wir frei! Wir danken den verbündeten Armeen der Amerikaner, Engländer, Sowjets und allen Freiheitsarmeen, die uns und der gesamten Welt Frieden und das Leben erkämpften.

Wir gedenken an dieser Stelle des großen Freundes der Antifaschisten aller Länder, eines Organisators und Initiators des Kampfes um eine neue demokratische, friedsame Welt: F. D. Roosevelt. Ehre seinem Andenken!

Wir Buchenwalder, Russen, Franzosen, Polen, Tschechen, Slowaken und Deutsche, Spanier, Italiener und Österreicher, Belgier und Holländer, Engländer, Luxemburger, Rumänen, Jugoslawen und Ungarn, kämpften gemeinsam gegen die SS, gegen die nazistischen Verbrecher, für unsere eigene Befreiung.

Uns beseelte die Idee: Unsere Sache ist gerecht – Der Sieg muß unser sein!

Wir führten in vielen Sprachen den gleichen, harten, erbarmungslosen, opferreichen Kampf, und dieser Kampf ist noch nicht zu Ende. Noch wehen Hitlerfahnen! Noch leben die Mörder unserer Kameraden! Noch laufen unsere sadistischen Peiniger frei herum!

Wir schwören deshalb vor aller Welt auf diesem Appellplatz, an dieser Stätte des faschistischen Grauens:

Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung.

Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig. Zum Zeichen Eurer Bereitschaft für diesen Kampf erhebt die Hand zum Schwur und sprecht mir nach:

W I R  S C H W Ö R E N !

* Ansprache in französischer, russischer, polnischer, englischer und deutscher Sprache auf der Trauerkundgebung des Lagers Buchenwald am 19. April 1945.

 

Hintergrundmaterial:

Video: Das Leben eines Häftlings im KZ-Buchenwald

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