Es kommt Bewegung in die Hölle!

Bodo Ramelow
InfrastrukturRegionWahlkreis

Aus dem Tagebuch von Bodo Ramelow

Aus dem Tagebuch von Bodo Ramelow.

Obwohl die deutsche Teilung seit nunmehr drei Jahrzehnten zumindest geographisch überwunden ist, gibt es sie noch – die offenen Wunden des „Kalten Krieges“. Diese Spuren sind häufig mentaler Natur und wir reden viel von der sprichwörtlichen Mauer in den Köpfen. Nicht selten betreffen sie allerdings auch ganz andere Lebensbereiche. Eines der schlagendsten Beispiele in diesem Kontext ist die Geschichte der Höllentalbahn, die lange Jahrzehnte vor 1945 im fränkischen Raum das bayrische Marxgrün mit dem thüringischen Blankenstein verband und Teil eines größeren Streckennetzes war, das faktisch das Gebiet Hof, Plauen, Triptis und Saalfeld umschloss. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Teilung Deutschlands in BRD und DDR wurden auch die Höllentalbahn  und damit die lange miteinander verwachsenen fränkischen Territorien des fränkischen Schiefergebirges vom „Eisernen Vorhang“ durchtrennt. An diesem Zustand beginnt sich allerdings jetzt – im Jahr 30 der deutschen Einheit einiges zu ändern. Es kommt Bewegung in die Hölle!

So habe ich mit großer Begeisterung vernommen, dass Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger heute signalisiert hat, dass auch von bayrischer Seite jetzt mit voller Kraft am dicken Brett der Reaktivierung der historisch einmaligen, aber eben auch infrastrukturell immens wichtigen Bahnverbindung gearbeitet wird. Ergänzt um die Ankündigung des bayrischen Umweltministers Glauber, dass sein Ministerium nunmehr auch den Bau der Frankenwaldbrücken aus naturschutzfachlicher Sicht freigegeben hat, wächst in mir die berechtigte Hoffnung, dass wir gemeinsam nun ein gutes Stück dabei vorankommen werden. Wenn auf bayrischer Seite die längsten Hängebrücken der Welt über dem Höllental entstehen sollen und dabei mit rund 400.000 Besuchern gerechnet wird, dann sollten letztere auch gut, zügig und CO2-neutral befördert werden können.
Das Land Thüringen selbst bemüht sich seit Jahren um die Beseitigung dieses Erbes der deutschen Zweistaatlichkeit und hat das Thema Höllentalbahn in seinen Masterplan Schienenverkehr aufgenommen. Erst am Montag hat unsere Infrastrukturstaatssekretärin Susanna Karawanskij bei einem Vor-Ort-Termin in Blankenstein über den Ist - Stand des Vorhabens informiert. Wir befinden uns aktuell in einem zweistufigen Verfahren, dessen erste Stufe ein Umweltverträglichkeitsgutachten bildet, das bald zum Abschluss gebracht werden wird, um in einem zweiten Schritt die Planfeststellung für die momentan nicht ausgebaute Strecke anzuschließen. Sie ist zwar durch die Teilung auf sechs Kilometern unterbrochen, aber nie vom Eisenbahnverkehr entwidmet worden. Tunnel und Schneise sind vorhanden und nicht verbaut, lediglich die aktuell fehlenden Gleise und eine Brücke müssten wiedererrichtet werden.

Richtig ist freilich, dass wir aller Voraussicht nach insofern mit Ausnahmetatbeständen werden arbeiten müssen, als dass möglicherweise die von der Deutschen Bahn vorgegebene Personenkennziffer von 1000 beförderten Menschen  pro Tag jedenfalls von Pendlern und Schülern nicht ganz erreicht werden wird. Bedenkt man allerdings den avisierten Zuschauerstrom dürften auch hier am Jahresende die Zahlen stimmen. Weiterhin müssen wir unbedingt die wirtschaftlich-infrastrukturellen Vorteile mit einpreisen, um zu einer richtigen Beurteilung der Streckenreaktivierung zu kommen. Allein die Firma ZPR Zellstoffwerk der Mercer Gruppe sowie ein zugehöriges Großsägewerk würden einiges darum geben, könnten sie ihren Langholztransport endlich von der Straße auf die Schiene verlagern. An einem einzigen Tag könnten so im Großraum Hof bis zu 300 LKW-Transporte eingespart werden. Mercer transportiert schon jetzt seine Fertigprodukte mit der Bahn und hat für das bereits erwähnte Langholz schon einen nagelneuen Ladebahnhof erbaut. Ein großer Teil der Rohhölzer – soweit sie nicht aus unseren waldreichen Regionen stammen – kommt über den Mercer Sammelplatz im tschechischen Chep (Eger) zu uns. Die aktuell kürzeste Strecke führt über 60 Kilometer Straße unter anderem durch Hof. Hier könnte man durch moderne, sehr leise Ganzzüge Abhilfe schaffen. Zu all diesen Aspekten hatte ich schon ein erstes Gespräch mit Hofs neugewählter Oberbürgermeisterin und weitere Konversationen mit dem örtlichen Landrat sind in Vorbereitung. Auch auf höchster politischer Ebene sind nunmehr Gespräche zwischen den Verkehrsministern Bayerns und Thüringens angedacht.

Die Frage nach der Reaktivierung der Höllentalbahn berührt aber auch Probleme der touristischen Erschließung des fränkischen Raumes. Hier müssen wir mittelfristig wegkommen von Konzepten, die an einer vermeintlich starren Landesgrenze Halt machen und vielmehr die Region als bayrisch-thüringischen Grenz- und Transferraum in den Blick nehmen. Die Höllentalbahn wäre hier ein kostbarer Baustein.
Nicht zuletzt ließen sich in der Hölle auch nachhaltige und zukunftsträchtige Beförderungsmodelle mit Wasserstoffzügen umsetzen. Unsere Umweltministerin Siegesmund hat hier vor kurzer Zeit erst die bereits o.g. Firma ZPR in Rosenthal am Rennsteig besucht, wo der notwendige Wasserstoff ortsnah hergestellt und eingesetzt werden könnte.

Wir sehen also: Es tut sich etwas! Die Höllentalbahn wäre, wie ich zu zeigen versucht habe, ein aus mehrerlei Perspektive zukunftsweisendes Projekt. Und wenn wir weit in die Zukunft schauen: Wäre es nicht eine wunderbare Vision, ein Bahnsystem zu etablieren, das Höllental-, Sormitztal- und Oberlandbahn zusammendenken würde, um letztlich ein Bahnnetz zu kreieren, über das Menschen das Fränkische Schiefergebirge, das Thüringer Meer, die Saalfelder Feengrotten und die atemberaubenden Frankenwaldbrücken auch aus Sachsen, Brandenburg oder Berlin schnell erreichen könnten?