Energieautark im Ilm-Kreis

Hans-Gerd Öfinger, neues deutschland
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Thüringer LINKE-Landrätin kritisiert Stromtrassenbau: Es sei »scheinheilig«, wenn nun die CDU im 80 Kilometer entfernten Saale-Orla-Kreis gegen den Bau einer ähnlich dimensionierten Gleichstromleitung entlang der A9 Front mache.

An der Stromleitung durch den Thüringer Wald wird bereits gebaut. Doch die Kritiker geben noch lange nicht auf.

Der Widerstand gegen den Bau einer 380-Kilovolt-Leitung von Erfurt quer durch den Thüringer Wald nach Nordbayern geht auch nach Beginn der Bauarbeiten weiter. Dies bekräftigte Petra Enders (LINKE), Landrätin im Ilm-Kreis, beim Anhörungsverfahren zur Planfeststellung für den dritten Trassenabschnitt am Donnerstag in der Anliegergemeinde Goldisthal. Dort kamen Kommunalpolitiker und Bürger aus dem Ilm-Kreis sowie den Landkreisen Hildburghausen und Sonneberg zu Wort. Die Landrätin verwies auf eine von ihr unterstützte Verfassungsbeschwerde von Anwohnern gegen das Bauprojekt. Solange Karlsruhe nicht endgültig entschieden habe, sei ein »Baustopp für alle diesbezüglichen Vorhaben« dringend geboten.

Enders, seit zwei Jahren Verwaltungschefin im Ilm-Kreis, war schon zuvor als Bürgermeisterin der Stadt Großbreitenbach treibende Kraft bei der Vernetzung lokaler Initiativen gegen die Hochspannungstrasse. Der Protest richtet sich gegen massive Eingriffe in die Landschaft in der bereits von einer tunnelreichen Autobahn und der ICE-Neubaustrecke Nürnberg-Erfurt durchschnittenen ökologisch sensiblen Region. Auch Ausgleichsmaßnahmen änderten nichts an der Naturzerstörung und möglichen gesundheitlichen Folgen durch die Trasse, so die Landrätin.

Außerdem bezweifelt sie die Notwendigkeit des vor allem von Energiekonzernen vorangetriebenen Projekts: »Wir haben bundesweit 37 000 Kilometer Hochspannungsleitungen und 1,8 Millionen Kilometer Verteilernetze und brauchen diese gigantischen Leitungsnetze nicht«, so Enders gegenüber »nd«. »Mit diesen Leitungen wird das Monopol der großen Konzerne zementiert und die Energiewende konterkariert.« Schließlich solle über die Trasse vor allem Braunkohlestrom transportiert werden.

Schon längst gebe es alternative Technologien zur Ertüchtigung bestehender Netze - wie Hochtemperaturseile, Freileitungsmonitoring und intelligente Netze. Statt mit neuen Leitungen weiter Flickwerk zu schaffen, sei ein Gesamtkonzept zur dezentralen regenerativen Energieerzeugung geboten. So wolle auch der Ilm-Kreis energieautark werden und arbeite zusammen mit der Technischen Universität (TU) Ilmenau, dem Fraunhofer-Institut und anderen an einem intelligenten Energiemanagement für das im Kreisgebiet gelegene Industriegebiet am Erfurter Autobahnkreuz.

Um Alternativen zu diskutieren, lädt Enders zusammen mit der TU im Rahmen der »Woche der erneuerbaren Energie« für Samstag Experten, Politiker und interessierte Bürger zu einer Fachkonferenz nach Ilmenau ein. Dabei sollen auch Kommunalpolitiker aus dem württembergischen Wüstenrot und dem nordhessischen Wolfhagen zu Wort kommen. Beide Kommunen wollen energieautark werden und könnten so als Vorbilder für den Ilm-Kreis dienen.

Es sei »scheinheilig«, wenn nun die CDU im 80 Kilometer entfernten Saale-Orla-Kreis gegen den Bau einer ähnlich dimensionierten Gleichstromleitung entlang der A9 Front mache, meint Enders. Der dortige CDU-Kreisvorsitzende Stefan Gruhner sei persönlicher Referent von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) - die Landesregierung habe dem Bundesnetzplan und damit beiden Leitungen zugestimmt.

 

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Der Appell von Petra Enders angesichts der immer weiter in das Thüringer Land vordringenden Starkstromleitung ging dann insbesondere an das Landesverwaltungsamt als Genehmigungsbehörde. Bei einer Anhörung in Goldisthal hat der Ilmkreis seine Stellungnahme abgegeben. Weder seien Alternativen wie Hochtemperaturseile statt immer neuer Leitungen und Masten geprüft worden, noch gebe es eine Erforderlichkeit für die Starkstromtrasse. Dies habe der Kreis deutlich gemacht. Zudem habe die Kreisverwaltung eine Visualisierung der Schädigung am Rennsteig gefordert. "Die Eingriffe in den Thüringer Wald sind so gravierend, dennoch spricht 50 Hertz von kaum messbaren Nachteilen für den Tourismus", so Enders.

OTZ, 13.05.2014