Linke-Kandidat: Lohnentwicklung in Thüringen kein Grund zum Jubel

Volkhard Paczulla, OTZ
Arbeit & LebenThüringen

Gewerkschafter und Linke-Direktkandidat Torsten Wolf hat sich Zahlen der Bundesagentur für Arbeit angesehen. Durchschnitts-Bruttolöhne sind demnach 2013 in Thüringen sogar gefallen. Abstand zum Westen stieg dadurch wieder an.

Erfurt. Thüringen hätte mehr erreichen müssen. Sowohl bei der Arbeitsplatz- als auch bei der Lohnentwicklung, sagt Gewerkschafter Torsten Wolf. Im Vergleich zur gesamtdeutschen Entwicklung hinke der Freistaat in den fünf Jahren Lieberknecht-Regierung sogar hinterher, behauptet Wolf, der zur Landtagswahl für die Linken in Jena direkt antritt. Ihn ärgert das Jonglieren der CDU mit Daten und Prozenten.

Nicht jongliert wurde bei der vom Deutschen Gewerkschaftsbund initiierten Befragung zum Index "Gute Arbeit" (OTZ berichtete). Die auf 1003 befragten Arbeitnehmer aus dem produzierenden Gewerbe Thüringens aufgestockte Studie ergab den überraschenden Befund, dass die Mehrzahl der Beschäftigten recht zufrieden ist mit ihrer Erwerbssituation. Nun sind Zufriedenheitswerte immer subjektiv gefärbt. Und selbst dabei ist zu beachten, dass 47 Prozent der Befragten angaben, ihr Arbeitseinkommen ­reiche "gerade so" oder eben nicht zum Leben.

Kein Grund zum Jubel also. Doch während Leser der OTZ-Internetseite in ihren Kommentaren bezweifelten, dass die Befragung zum DGB-Index "Gute Arbeit" ­repräsentativ ist oder gefälschte Ergebnisse vermutet wurden, analysierte Torsten Wolf statistisches Material.

Zunächst das der Bundesagentur für Arbeit. Daraus geht hervor, dass Thüringen zwischen 2009 und 2013 tatsächlich eine positive Entwicklung bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung vorweisen kann. Die Anzahl der Jobs stieg in diesem Zeitraum von 722"768 auf 760"280. Das entspricht einem Zuwachs von 5,2 Prozent.

Dieses Plus hat auch CDU-Generalsekretär Mario Voigt in seinen Katalog der guten Taten der CDU/SPD-Koalition aufgenommen. Den Vergleich zur deutschlandweiten Entwicklung allerdings nicht. In denselben fünf Jahren fiel der Zuwachs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Bund mit sieben Prozent deutlich besser aus. Hochgerechnet, so Wolf, hätte Thüringen bei gleichem Wachstumstempo 13.081 neue Arbeitsplätze mehr haben müssen.

Aber die Thüringer Brutto­löhne, verweist Voigt auf die nächste Erfolgszahl, die seien zwischen 2009 und 2013 bundesweit am stärksten gestiegen. Nämlich um 12,8 Prozent. Mithin doppelt so schnell wie die Inflationsrate (6,4 Prozent). Allerdings ergibt sich hier eine Unschärfe. Die Zahl bezieht sich auf alle Arbeitnehmer, nicht wie im DGB-Index auf das produzierende Gewerbe. Wolf zieht auch die Bruttodurchschnittslöhne und -gehälter der Thüringer zu Rate, und zwar aus Übersichten des IAB, dem renommierten Forschungsinstitut der Agentur für Arbeit. Daraus geht hervor, dass die Bruttolohnentwicklung Thüringens nach Jahren der kontinuierlichen Angleichung im Jahr 2013 wieder rückläufig war. Von durchschnittlich 2330 Euro im Monat auf 2290 Euro, dem Durchschnittsniveau des Jahres 2011. Das bedeutete eine Vergrößerung des Lohnabstandes zu Westdeutschland um zwei Prozent. Absolut, so stellt das IAB fest, hatte Thüringen schon 77 Prozent des Lohnniveaus West erreicht. Nun seien es wieder 75 Prozent. Die Schere zwischen Thüringen und Westdeutschland habe sich seit 1990 kaum verändert. Das größte Problem dabei, glaubt Wolf, sei die Tatsache, dass nur noch 21 Prozent der Thüringer Unternehmen tarifgebunden sind. Nehme man nur das Verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor (ohne öffentlichen Dienst), dann erreiche Thüringen bei den Bruttomonatsverdiensten sogar nur 72,42 Prozent der alten Bundesländer.

Wolfs Fazit: Die Aussage der Ministerpräsidentin, den Leuten gehe es nach fünf Jahren Schwarz-Rot unter ihrer Führung besser, sei falsch. Bestenfalls könne man von Stagnation sprechen. Als Bildungspolitiker sage er dazu "Klassenziel ­verfehlt". Eine Versetzung in die nächste Amtszeit sei nicht ­möglich.