Bilanz zweijähriger Flüchtlingsarbeit in Ostthüringen

Sandra Hoffmann, OTZ

Nach zwei Jahren Flüchtlingsarbeit zieht der Linke-Sprecher Michael Gerner eine gemischte Bilanz

Pößneck. In den vergangenen zwei Jahren der intensiven Flüchtlingsarbeit in der Orla­region ist viel erreicht worden, es gibt aber auch noch genügend zu tun. Die private Hilfe sei für zahlreiche Flüchtlinge nach wie vor unerlässlich, weil es nicht ausreichend Behörden gebe, die ihnen qualifiziert zur Seite stünden, resümiert Michael Gerner aus Triptis, Sprecher für Migration und Flüchtlinge der Partei Die Linke.

„Ich bin dankbar, dass Michael so viel geholfen hat“, weiß der 27-jährige Qasim Kudier aus dem Irak die Unterstützung des Triptisers zu schätzen, hat sich doch seine Situation auch durch das Engagement von Michael Gerner entscheidend verbessert. Noch vor einem Jahr lebte Qasim Kudier, der aufgrund einer Erkrankung im Rollstuhl sitzt, in einer Wohnung in Pößneck, die weder barrierefrei zugänglich noch behindertengerecht war. Sein Bett war ungeeignet und defekt und Deutschunterricht blieb ihm verwehrt, weil die beiden möglichen Schulen in Pößneck ebenfalls nicht barrierefrei waren.

„Nach der Veröffentlichung des Falles in der OTZ hat sich mit Maren Poßner vom Fachdienst Schwerbehindertenrecht/Sozialhilfe im Landratsamt eine Bekannte gemeldet. Sie hatte ein Pflegebett stehen und wir konnten es für einen Obolus abholen“, berichtet Michael Gerner. Wenig später habe es das Angebot einer behindertengerechten Wohnung in der Breiten Straße in Pößneck gegeben und Qasim Kudier zog im März dieses Jahres um. Außerdem lernt er seit Februar Deutsch, nachdem an der Euro-Schule eine Klasse in einem barrierefrei zugänglichen Raum eingerichtet worden war. Weitere Leistungen, die ihm laut Sozialrecht zustehen, erhält er ebenfalls.

„An diesem Beispiel sieht man, wie wichtig es ist, genau hinzuschauen und die Probleme der Geflüchteten zu thematisieren“, macht Michael Gerner aufmerksam. Mehr als 100 Geflüchteten habe er in den vergangenen zwei Jahren helfen können und sie unter anderem bei der Wohnungssuche, etwa in Jena, unterstützt.

Themen, welche die Asylbewerber derzeit beschäftigten, seien die geringen Kontakte zu Deutschen und die Suche eines Arbeitsplatzes. So möchte der 21-jährige Hadi Kahel aus Syrien, der seit 16 Monaten in Deutschland und jetzt in Pößneck lebt, gern eine Ausbildung zum Elektroniker absolvieren, aber dafür müsse er Fachbegriffe verstehen können. Derzeit besucht er den B1-Sprachkurs, der ein fortgeschrittenes Sprachniveau bedeutet. „Er würde aber besser Deutsch sprechen, wenn er deutsche Freunde hätte“, ist sich Michael Gerner sicher.

Eine Beschäftigung wünscht sich später ebenso Qasim Kudier, auch wenn er im Rollstuhl sitzt. Er werde inzwischen von vielen Leuten gegrüßt, wenn er die Wohnung verlässt und rausgeht, berichtet er. „Ich bin dankbar, dass Michael immer da ist und meine Themen ernst nimmt. Und ich bin auch den anderen dankbar, die geholfen haben“, sagt er.

„Wir haben viele junge Syrier mit einer guten Ausbildung, die nicht als Hilfsarbeiter arbeiten sollten. Ich möchte, dass sie so integriert werden, dass sie halbwegs auf ihrem Bildungsniveau arbeiten können“, wünscht sich Michael Gerner. Doch gerade bei der Vermittlung von angemessener Arbeit sowie bei der Beschulung der Kinder und der Bereitstellung von geeignetem Wohnraum gebe es große Probleme. In diesen Bereichen laufe die Integration in Thüringen bei weitem nicht so positiv wie dies seitens des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz gern dargestellt werde, kritisiert der Sprecher der Linken.

„Vieles, was Ehrenamtliche oder Vereine leisten und an Problemen lösen, sollten Behörden übernehmen“, fordert Michael Gerner und nennt beispielsweise eine Rechtsberatung, die Flüchtlinge qualifiziert zu Klagen, gegen den subsidiären Schutz berät oder praktische Hilfe bei der Familienzusammenführung gibt. Derzeit schaffe diese Schritte nur, wer ehrenamtliche Helfer an seiner Seite wisse.

Intensiviert werden müsse ebenso der Deutschunterricht an den Schulen für die Flüchtlingskinder. Es fehlten Lehrer für den DaZ-Unterricht (Deutsch als Zweitsprache). Oft seien die Sprachkenntnisse der Kinder noch nicht ausreichend für die Klassenstufe, für die sie aufgrund ihres Alters ausgewählt werden. Die Kinder legten im Weiteren möglicherweise einen Schulabschluss ab, der nicht ihrem tatsächlichen Vermögen entspreche, befürchtet Michael Gerner. Das wiederum beeinflusse ihre Zukunft.

„Ich fordere, die Probleme der geflüchteten Menschen wahrzunehmen“, formuliert der Linke-Sprecher ganz klar und spricht mit dieser Äußerung auch die Politiker an. Es könnte mehr getan werden, wenn genauer hingesehen würde. Denn auch zwei Jahre nach ihrer Flucht seien Flüchtlinge die Abgehängten der Gesellschaft weist Michael Gerner hin. Umso dankbarer ist er all jenen hilfsbereiten Menschen, die sich noch immer engagieren, so wie Friseurmeisterin Andrea Rachlok, die in ihrem Salon in Pößneck Asylbewerber einstelle und Flüchtlingen beim Umzug helfe.

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