Die Gebietsreform – die Ungeliebte

Philipp Gliesing

Ein kommentierender Bericht zum "Faktencheck" in Ranis

Zweieinhalb Stunden saßen die Referenten am Montagabend mit rund 20 Bürgerinnen aus Ranis und Pößneck beim „Faktencheck Gebietsreform – Chance oder Risiko“ des Kommunalpolitischen Forum Thüringen e.V. in der Freiwilligen Feuerwehr Ranis zusammen. Die Referenten hatten eine inhaltlich hochwertige Veranstaltung hingelegt. Frank Kuschel, kommunalpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion DIE LINKE, erwies sich ein Mal mehr als ein begnadeter Fachpolitiker, der auf alles eine Antwort findet - mit Witz undSachlichkeit.

Es war schon bemerkenswert, dass die "Reformgegner" bei all dem Wind, den sie machen, keine Delegation zu der weithin wahrgenommenen Diskussionsveranstaltung schickten. Schließlich war selbst das ZDF gekommen. Mit Wolfgang Kleindienst (UBV/Freie Wähler) fand wenigstens ein selbsterklärter Kritiker der Reform den Weg zur Diskussionsveranstaltung. Im fast freundschaftlich klingenden Ton, konnte MdL Frank Kuschel jedoch weitgehend die Sorgen um die Rechtsnachfolge von Zweckverbänden und etwaige Belastungen für die Kommunen bei der Neuzuordnungen der Straßen- und Verkehrswege zerstreuen.

MdL Ralf Kalich, Sprecher für Kommunalfinanzen, untermauerte: Wenn es ein "weiter so" in der kommunalen Finanzarchitektur gibt, werden die vielen abgehängten Kommunen, auch weiter alle alle vier Jahre auf Notpakete angewiesen sein. Und ein in sich „alternder“ ländlicher Raum, wird es schwer haben weiterhin – flächendeckend – eine attraktive, öffentliche Daseinsvorsorge (Bildung, gesundheitliche Versorgung, Infrastruktur, kommunale Dienstleistungen und Investitionsmaßnahmen, Tourismus) aufrecht zu erhalten und sich auch wirtschaftlich weiter zu entwickeln.

Argumentation aus Sicht der LINKEN

Die Thüringer Kommunen brauchen mehr Entscheidungsfreiheit durch Aufgabenübertragung mit der entsprechenden finanziellen Ausstattung – ohne dabei durch die Kreisumlage (Abgaben an die Verwaltungshaushalte der Landkreise) belastet zu werden. Gleichzeitig werden eben diese Kreisverwaltungen, in der kleinteiligen Struktur Thüringens, auch über den KFA an das Land gebunden und sind aufgebläht. Mit Blick auf die erfolgreichen, auch kreisübergreifenden Kommunalisierungsprozesse der letzten Jahre, sowie auf die damals kaum hinterfragten Kreisgebietsreform (1994), wird es ein leichtes sein, den erforderlichen „Kulturwandel“ in den Amtsstuben und Kreisparlamenten zu vollziehen. Es wird nämlich mehr Verantwortung durch die Kreistage getragen, quasi als „Regionalparlamente“ würden sie auch zu Gestaltern von neuen sozial, touristisch zu erschließenden Wirtschaftsräumen. Und die politisch Verantwortlichen stehen dann auch nicht plötzlich vor abgeschafften Kommunen, sondern vor leistungsstarken Gemeindezusammenschlüssen mit einem starken Zentrum, in dem es ein Bürgerservice für alle Amtswege der Bürgerinnen gibt.

Hinzu kommt, wenn die FVG-Reform weiterhin aufgeschoben wird, und wir bestimmte „historische“ Momente verpassen, werden wir im Landeshaushalt trotz (derzeitigen) Steuermehreinnahmen in schwierige Gewässer kommen. 2019 läuft der Solidarpakt 2 aus, 2020 kommt eine neue ESF-Förderperiode, wo abzusehen ist, dass die Bundesländer weniger Fördermittel aus Brüssel bekommen werden. Und dann sind da noch die Pensionslasten einer ganzen Generation von Landesbediensteten, die in den kommenden Jahren in den Ruhestand geht. Hier haben wir jetzt, auch als linksgeführte Landesregierung, die „Gelgenheit“ diese auslaufenden Stellen einfach nicht wieder neuzubesetzen, um so die Strukturveränderungen auf der Landesverwaltungsebene (Umstellung auf zweistufige Verwaltung/ Land-Kommune) auch personell zu untersetzen. Ansonsten müssten die Stellen jetzt wieder besetzt werden, und das Stellenabbauprogramm, dass die CDU schon in der Schublade hatte, kommt in der nächsten Legistlurperiode wieder zum Vorschein.

Das wiederum bedeutet nicht, dass die jetztigen Verwaltungsangestellten in den Kommunen und Landkreisen auf die Straße gesetzt werden. Im Gegenteil. Die zum Teil unattraktiven, gering besoldeten Angestellten in den VGs haben neue Perspektiven und Aufstiegsmöglichkeiten, da die neuen Einheits-, Landgemeinden (evtl. Verbandgemeinden) ganz neue Herausforderungen mit sich bringen werden. Natürlich steht auch hier ein Genrationswechsel vor der Tür und wir werden in Thüringen ehr einen Personalmangel erleben. Die Vorgängerregierung hat auch hier nicht vorgesorgt und viel zu wenig in die Ausbildung neuen Fachpersonals investiert.

Landgemeinde Pößneck – Ja!

Mit einem sehr klaren Ton, erläuterte Andreas Gliesing, Bürgermeister der Stadt Ranis, warum er die Notwendigkeit der Reform anerkennt und die kommunalpolitisch Aktiven eigentlich froh sein müssten, dass die Landesregierung die ungeliebte Reform anpackt. Für die VG Ranis-Ziegenrück ergäben sich nur zwei Optionen: Eine starke Einheitsgemeinde mit Krölpa, Kamsdorf und Unterwellenborn zwischen Saalfeld und Pößneck. Oder eine Landgemeinde mit Pößneck als schon jetzt ausgewiesenens und genutztes Mittelzentrum. Dazu wird es in Ranis auch eine Bürgerbefragung geben, die dann in einem Stadtratsbeschluss umgesetzt wird. Er selbst habe schon seit längerer Zeit den Kontakt zum Amtskollege in Pößneck gesucht, um einen konstruktiven Weg einzuschlagen.

Frank Kuschel bot auch weitere fachliche Beratung vor Ort an und verwies darauf, dass die Vorgaben im Leitbild zur FVG-Reform für eine Landgemeinde Pößneck plus die angrenzenden VGs eigentlich passend sind. Außerdem lieferte er die wichtige Information für die Stadträte und den Bürgermeister, dass die Strukturbeihilfen auch an die Kommunen ausgezahlt werden, die in der Freiwilligkeitsphase ein umsetzbares Fusionsinteresse (einseitig) bekunden.

Auch für den Verfasser dieses Berichts, der quasi an der Flurgrenze von Ziegenrück, Ranis und Pößneck aufgewachsen ist, überwiegen die Chancen und nicht das Risiko. Einerseits für die angrenzenden Gemeinden von Pößneck, denn wichtige Projekte, wie das kaputte Kirchdach oder der Umbau einer Sportanlage, könnten im Rotationsprinzip endlich realisiert werden. Andererseits ergibt sich aus sicht der Stadt Pößneck, eine Ausgleich der Interessenlagen. Die Einwohnerinnen der Dörfer nutzen die städtische Infrastruktur ja schon jetzt sehr rege, Steuereinnahmen und Schlüsselzuweisungen kommen somit – tendenziell – nicht mehr an, wo sie gebraucht werden. Und beim Thema Wirtschaftsansiedlung gilt eigentlich auch: Je größer der Investitionsraum, umso besser – dann können Gewerbesteuereinnahmen zentral verwaltet und für eine größere Fläche verteilt werden.